Freiberger Altertusverein eV

Geschichte des Freiberger Altertumsvereins

Festrede zum 140. Gründungsjubiläum

 

Am 14. März 1860 riefen geschichtsbewusste Freiberger Bürger unter Federführung des Druckereibesitzers Heinrich Gerlach den Freiberger Altertumsverein ins Leben. Rückblickend muss man vor der Leistung, die der Verein, sprich seine Mitglieder, zwischen 1860 und 1945 vollbrachten, mit tiefstem Respekt und größter Hochachtung betrachten.
Mit seinem Wirken griff der Verein in die gesellschaftlichen Prozesse ein, hielt schützend seine Hand über viele überkommenen Kulturgüter und öffnete Fenster, durch die man die Vergangenheit sehen konnte und ihr näher kam. Schnell entwickelte sich der Verein zu einer Brücke, die Vergangenheit und Gegenwart Freibergs und der Region miteinander verband.

Ziel des Vereins war es stets, die historischen Geschehnisse aus den Tiefen des Vergessens hervorzuholen und zu erforschen.

Vor allem Heinrich Gerlach und Konrad Knebel sollen für die ersten Jahrzehnte mit ihren umfangreichen quellenbezogenen historischen Forschungen, etwa zur Handwerksgeschichte, genannt werden. Unerlässliches Handwerkszeug fanden die Forscher in ihrer Bibliothek, zu der Heinrich Gerlach mit der Schenkung seiner umfangreichen Privatbibliothek den Grundstein legte.

 

  gerlach

 

Vor allem Heinrich Gerlach und Konrad Knebel sollen für die ersten Jahrzehnte mit ihren umfangreichen quellenbezogenen historischen Forschungen, etwa zur Handwerksgeschichte, genannt werden. Unerlässliches Handwerkszeug fanden die Forscher in ihrer Bibliothek, zu der Heinrich Gerlach mit der Schenkung seiner umfangreichen Privatbibliothek den Grundstein legte. Dazu gehört noch eine weitere große Leistung, nämlich die Herausgabe der "Mitteilungen des Freiberger Altertumsvereins" seit 1862, in denen die Resultate der vielfältigen Forschungen einem breiten Kreis vorgestellt werden konnten.

Durch den zunehmenden Schriftentausch mit anderen Geschichtsvereinen, so in Meißen, Innsbruck, Prag und Wien, fanden die Mitteilungen ein noch größeres Publikum. Zugleich erweiterten die dadurch eingehenden Publikationen dieser Vereine den Erkenntnisstand der Freiberger Forscher. Als zweites Vereinsziel sollte die Vergangenheit für die interessierte Öffentlichkeit erlebbar gemacht werden. So wirkten Gerlach und weitere Mitglieder von Beginn an unermüdlich auf eine Museum hin, das dann bereits 1861 in der Kastenstube des Städtischen Kaufhauses seine Pforten öffnete.

 

 

Erste Heimstätte des Altertumsmuseums im städtischen Kaufhaus

          Erste Heimstätte des Altertumsmuseums im städtischen Kaufhaus

Da die rasch weiter wachsenden Sammlungen die räumlichen Möglichkeiten sprengten, sanierte die Stadt auf Initiative des Vereins das ehemalige Gebäude des Gymnasiums, das 1903 im Beisein des sächsischen Königs als großes und sehr gut ausgestattetes Museum eröffnet werden konnte. Auch mittels öffentlicher Vorträge suchte man dieses Ziel zu verwirklichen.

 

 

Altertumsmuseum am Freiberger Untermarkt
                           Altertumsmuseum am Freiberger Untermarkt


Drittens schließlich zielte der Verein auf die Bewahrung der großen Zeugnisse der Vergangenheit. Schon 1860 setzte sich der Verein erfolgreich für die Freilegung der Goldenen Pforte ein. Mit Gerlach an der Spitze kämpfte der Verein von 1889 bis 1892, ebenfalls erfolgreich, gegen den Abriss des Kreuzganges am Dom. Der Erhalt großer Teile der Stadtmauer, des Domherrenhofes 1885, die Rettung vieler Portale, so das einmalige am Gebäude Obermarkt 17, verdankt die Nachwelt auch dem Altertumsverein.
Ebenfalls auf Initiative des Vereins und mit finanzieller Unterstützung der Kommune begannen Freiberger Fotografen 1907 mit der bildlichen Dokumentation Freiberger Gebäude und architektonischer Details. Da nicht wenige Häuser in den späteren Jahren dem Abriss zum Opfer fielen, stellen diese Aufnahmen heute wertvollste fotografische Zeugnisse dar. Die Fotos bildeten den Grundstock der großen Fotosammlung des Vereins, die heute im Stadt- und Bergbaumuseum aufbewahrt, bearbeitet und erweitert wird. Die Leistungen des Vereins, der mit seinen Taten logischerweise auch Konflikte hervorrief, etwa wenn es um Belange der Denkmalpflege ging, fanden ihren Widerhall in der wachsenden Zahl von Mitgliedern, immerhin gehörten in den ersten Jahrzehnten durchschnittlich 400 Personen dem Verein an.

 

Als am 14. März 1990 eine Gruppe von 16 Personen den Beschluss zur Gründung eines Freiberger Geschichtsvereins fassten, waren sich alle einig, an die besten Traditionen des Gerlachschen Vereins unmittelbar anzuknüpfen und diese fortzusetzen. Daher kam als Name nur Altertumsverein in Frage. Mit der Umschlaggestaltung der "Mitteilungen" wollen wir unsere Wurzeln ebenso deutlich machen wie mit der Fortführung identischer Betätigungsfelder und Zielstellungen.
Wir betrachten uns damit heute als Teil der Brücke, die zu errichten unsere Vorfahren im Jahr 1860 begannen. Nicht nur nebenbei sei an dieser Stelle noch darauf aufmerksam gemacht, daß wir in Kürze auch das zehnjährige Jubiläum unserer Wiedergründung begehen können.
Konnten unsere Vorfahren manchen Pfeiler, manches Tragwerk nicht vollenden, so nahmen wir nicht wenige der damals begonnenen Bauten wieder in Angriff und setzten das Werk fort. Wer hätte aber bei der Neugründung gedacht, zu welch stattlicher Größe sich der Verein entwickeln würde und was er als Baumeister zu leisten vermag. Das zwischenzeitlich entstandene Gebäude nötigt Achtung ab, vor allem, wenn man das ehrenamtliche unseres Tuns bedenkt.

Wer hätte beispielsweise von einer solchen beachtlichen Reihe, wie sie die "Mitteilungen des Freiberger Altertumsvereins" mittlerweile wieder darstellen, auch nur zu mträumen gewagt. Seit 1992 erschienen insgesamt 12 ! neue Hefte, zum Teil also pro Jahr sogar zwei Hefte. Dahinter verbergen sich immense forschungsseitige und editorische Leistungen.

21 Mal informierten wir im "Freiberger Land" unsere Mitglieder über unser Vereinsleben. Die jährliche Weiterbildung der Ortschronisten des Landkreises steht seit 1995 auf unserem Arbeitsplan.

      

 

Eine Vielzahl von historischen Vorträgen, Exkursionen ind Führungen, allein im zurückliegenden Jahr waren es 6 Vorträge, vier Führungen und genauso viele Exkursionen, boten wir unseren Mitgliedern und weiteren Interessenten an. Rochlitz, Gnandstein, die Grube Churprinz Großschirma, Dresden und etliche weitere Orte gehörten zu den besichtigten historischen Stätten. Arbeitseinsätze in der Nikolaikirche, auf dem alten Donatsfriedhof, auf dem Grünen Friedhof des Domes und im Bergarchiv brachten praktischen Nutzen für die Denkmalpflege und das Archiv.

 

 

Führung im Freiberger Dom durch Prof. Magirius

                           Führung im Freiberger Dom durch Prof. Magirius

Seit etwa 1992 bestreiten Vereinsmitglieder den historischen Vortrag anlässlich des Neujahrsempfanges der Stadt Freiberg, mit dem jeweils auf ein wichtiges historisches Jubiläum im laufenden Jahr aufmerksam gemacht wird. Aktiv und an den unterschiedlichsten Stellen beteiligten wir uns an den Tagen des offenen Denkmals. Die Anfertigung von Tafeln zur Geschichte historischer Gebäude wurde von unserem Verein mit initiiert und mit getragen. Die Ehrung verdienstvoller Freiberger Persönlichkeiten, insbesondere Andreas Möller, Otto Leonhard Heubner, Heinrich Gerlach und Werner Hartenstein, stand ebenfalls auf der Tagesordnung. Sie schloß auch Kontakte zu den Nachfahren dieser Persönlichkeiten mit ein.

Dass die Freiberger Bürger heute wesentlich besser über bedeutende Freiberger vergangener Zeiten informiert sind, verdanken sie einer seit langem laufenden Zeitungs-Artikelserie. Die Sanierung des Vierseithofes in Niederschöna zählt ebenso zu den Aktiva wie Untersuchungen zur Geschichte von Brand-Erbisdorf. Forschungsergebnisse von Vereinsmitgliedern wurden zu den unterschiedlichsten Gelegenheiten vorgestellt, darunter auch auf internationalen Tagungen. Publikationen unserer Mitglieder finden sich ebenfalls in den verschiedensten Druckschriften, beispielsweise im Gemeindeblatt der Gemeinde Bobritzsch, den Freiberger Münzblättern, der Tagespresse, den Freiberger Forschungsheften, den Sächsischen Heimatblättern, den "Befahrungen" und in Sammelbänden. Auch als Einzelpublikationen wurden neue Erkenntnisse veröffentlicht.

Ein bedeutendes Forschungsprojekt hat sich der Verein seit 1994 auf die Fahnen geschrieben, die Erforschung der Geschichte des Freiberger Brauwesens. Angeregt und finanziell getragen von der Freiberger Brauhaus AG werden insgesamt 5 Hefte der MFA - drei sind erschienen - mit den Resultaten gefüllt werden. Die positive Resonanz auf das Vorhaben in der Öffentlichkeit spricht für sich.

Als sei dies noch nicht genug, haben wir 1997 bei der Landkreisverwaltung auf Basis des Vorbildes des Mittleren Erzgebirgskreises die Erarbeitung einer Publikation, d.h. eines gut bebilderten Buches, zur Geschichte aller Orte des neuen Großkreises angeregt. An der Verwirklichung des Projektes, das mindestens zwei Bücher umfassen soll, wird unter Integration aller Ortschronisten des Landkreises bereits intensiv gearbeitet. Just in diesem Moment, als beide Projekte unsere Kraft in erheblichem Maße in Anspruch nehmen, bot die Robert- Bosch- Stiftung Ende vergangenen Jahres die finanzielle Unterstützung eines Forschungsvorhabens zur Geschichte Freibergs an.

Vor kurzem traf nun die Bewilligung für das Projekt 'Denkmaltopographie Freibergs' ein. Die Arbeiten sind gemeinsam mit dem Gymnasium Albertinum als Partner angelaufen. An die Erfassung und Analyse aller Denkmale sollen sich Darstellungen über die Entwicklung des Stadtbildes, die Veränderung der Architektur in einzelnen Epochen und spezielle Beiträge , so über die Portale und die Dachstühle, anschließen. Diese Aufzählung soll gleichzeitig verdeutlichen, dass unser Wirkungskreis satzungsgemäß Freiberg und die gesamte Region umfasst.

Alle unsere Vereinsaktivitäten aufzuzählen, fällt heute bei der großen Anzahl und dem breiten Spektrum, so stolz man berechtigterweise auf jede einzelne auch sein kann, bereits schwer. So haben einige Mitglieder ihre eigenen denkmalgeschützten Häuser instandgesetzt, andere forschen, wieder andere dokumentieren mit Fotoapparat oder Videokamera, die nächsten gehen verschollenen Denkmalen nach, weitere kümmern sich um die Bewahrung historischer Sachzeugen usw. Diese Beispiele ließen sich fortsetzen. Egal aber, ob bei dienstlichen Pflichten oder privatem Interesse, das tiefere Motiv für das Handeln ist stets das gleiche, nämlich das Bestreben nach Bewahrung der historischen Werte. Dies ist der Motor für unsere Vereinsarbeit und gleichzeitig das einende Band.

Eine Brücke zu bauen, heißt, auch mit Rückschlägen rechnen zu müssen, bedeutet aber auch, mit den unterschiedlichsten Schwierigkeiten fertig zu werden. Manchmal sind die Aufgaben, die vor uns als Verein stehen, so umfangreich und vielfältig, dass sie personell und finanziell an die Grenzen unserer Kapazitäten gehen. So verlangen uns unsere gegenwärtigen drei Forschungsprojekte an Organisation, Zeitaufwand und Wissen sehr viel ab.

In einem Fall überstieg ein Vorhaben unsere Möglichkeiten. Potenzen und Einfluss reichten 1997/ 98 trotz erheblicher und aufwendiger Anstrengungen bedauerlicherweise nicht, um Kräfte für die Sanierung des Schlosses Freudenstein zu mobilisieren.
Auch in der Vergangenheit hatte der Verein mit erheblichen Problemen zu kämpfen und musste Niederlagen hinnehmen. Einen großen Schlag bedeutete für den Verein, der sich für deren Erhaltung stark gemacht hatte, 1890 der Abriss der alten Jacobikirche. Nur einige wenige Architekturteile konnten damals gerettet werden.

Vor allem gesellschaftliche Probleme beeinflussten die Kraft und das Leben des Vereins negativ. So sanken mit dem 1. Weltkrieg Mitgliederzahl und Aktivitäten des Vereins erheblich. Danach sorgten Inflation, Weltwirtschaftskrise und der 2. Weltkrieg für viele weitere Rückschläge hinsichtlich Kraft, Mitgliederzahl und finanzieller Spielräume. Manches Projekt blieb auf der Strecke, konnte nicht im geplanten Umfang oder nur zeitverzögert verwirklicht werden, wie die kontinuierliche Herausgabe der MFA sowie die Aufstellung und Ordnung der Bibliothek. Umso bewundernswerter ist die Tatsache, dass dennoch eine erhebliche Zahl von Vorhaben durch den Verein in die Tat umgesetzt wurde.

Da wäre beispielsweise die Herausgabe weiterer Hefte der "Mitteilungen" und die Neugestaltung des Vereinsmuseums 1926 bis 1929 zu nennen. Die Gedenktafeln für Novalis und Goethe gehen ebenfalls auf den Verein zurück. Zwischen 1925 und 1927 wurde dann doch die Vereinsbibliothek geordnet und in Regalen aufgestellt. Die Museumssammlungen konnten um sehr bedeutende Exponate erweitert werden. Neben einer regen Vortragstätigkeit organisierte man Besichtigungen und Exkursionen. Die Forschungen, etwa von Walter Schellhas, Johannes Langer und Walther Herrmann, um nur drei der exponiertesten Vertreter zu erwähnen, mündeten in eine Vielzahl von wegweisenden Veröffentlichungen.

Die Herausgabe der Vereinsmitteilungen stoppte erst der 2. Weltkrieg nach der Herausgabe von Heft 71 im Jahr 1942. Warum der Verein im Jahr 1939 Museum und Bibliothek an die Stadt Freiberg übergab, liegt leider heute im Dunkeln.
Der verheerende Krieg brachte auch dem Altertumsverein größten Schaden. Nach dem Krieg fiel wohl auch der Freiberger Altertumsverein unter das generelle Verbot deutscher Organisationen durch die sowjetische Besatzungsmacht. Um weiter ihrer Berufung nachgehen zu können, traten die führenden Köpfe des ehemaligen Vereins dem Kulturbund bei, in dem auch viele von uns über Jahre oder sogar Jahrzehnte eine alles in allem doch akzeptable Heimat fanden.

Auch die Zusammenarbeit mit der Bergakademie, etwa die Mitarbeit an den Freiberger Forschungsheften, Reihe D, erwies sich als fruchtbar. Noch manche weitere Leistung könnte genannt werden, die davon kündet, dass die Freiberger Geschichtspflege auch in der DDR nicht aufhörte zu existieren, sondern unter veränderten politischen Vorzeichen weiter bestand, selbst wenn man heute manches mit kritischer Distanz betrachten muss.

Brücken müssen immer wieder einmal auf Tragfähigkeit und weitere Eigenschaften hin geprüft werden. Auch wir übernehmen nicht alles, was unsere Vorgänger wussten, dachten oder taten, unkritisch und unwidersprochen. Die Auseinandersetzung mit Meinungen und Interpretationen, die Prüfung von Erkenntnissen unserer Vorgänger gehören ebenfalls zu unseren Aufgaben. Dabei geht es einmal um die damalige Darstellung und Wertung historischer Ereignisse und Prozesse der Vergangenheit. Beispielsweise sollte das Handeln des Kunz von Kauffungen nicht mehr derart einseitig und das Todesurteil an Kauffungen nicht mehr ausschließlich als treue Pflichterfüllung durch die Freiberger Ratsherren gesehen werden. Genauso wenig sollte man die wettinische Territorialpolitik gerade im Mittelalter idealisieren.

Man sollte sich allerdings auch davor hüten, den Stab über die Leistungen früherer Geschichtsforscher voreilig zu brechen, deren Leistungen herabzumindern oder politische Tagesformeln, die zu jeder Zeit auch von Geschichtsforschern gebraucht wurden, über- oder unterzubewerten. Normal ist es ja auch, wenn jede Zeit und verschiedene Personen unterschiedliche Bewertungen historischer Erscheinungen und Prozesse vornahmen. Zudem ist es schwierig und problematisch, die Elle der Jetztzeit an frühere Jahre anzulegen. Unser Ziel sollte dennoch auch darin bestehen, auf den Leistungen unserer Vorfahren aufzubauen und, selbst wenn man manchmal eine Mauer einreißen muss, über sie hinauszugehen.

Der Freiberger Altertumsverein hat sich mit seiner Tätigkeit, also der Beschäftigung mit der Vergangenheit, zugleich als Schöpfer weiterer Brückensegmente in Richtung Zukunft erwiesen. So dachte zwar im Jahr 1860 wohl kaum eine Vereinsmitglied 140 Jahr weiter, wenn es auszog, um Kulturgut zu finden, zu bergen und in den Fundus des im Aufbau begriffenen Museums zu schaffen. Aber tatsächlich erhielt der Verein ein gewaltiges materielles Potential für die nachkommenden Generationen. Ob es darum ging, den Domkreuzgang zwischen 1889 und 1892 vor dem Abriss zu retten, das Freiberger Urkundenbuch Wirklichkeit werden zu lassen oder das Geschossbuch von 1607 zu verkarten, immer zielten diese Taten in Richtung Zukunft, lag als Motiv bei allem Tun die Bewahrung von Kultur auch für die künftigen Generationen zugrunde.

Dieses Motiv ist bis zur heutigen Zeit das gleiche geblieben. Uns bewegt wie unsere Vorfahren der Gedanke, das uns übergebene Kulturgut wie auch das von uns neu entdeckte und bewahrte unseren Nachkommen weiterzureichen. Dazu dürfen wir mit großem Stolz etwa unsere historischen Entdeckungen zählen, die in unterschiedlichsten Druckschriften ihren Niederschlag fanden, ebenso die Nikolaikirche, für deren Sanierung unser Verein gewissermaßen den Startschuß gab, sowie das Hüttengebläse in Muldenhütten, dessen Erhaltung und Betrieb das Verdienst der Fachgruppe Hüttengeschichte ist.

 

 

Hüttengebläse in Muldenhütten

                                         Hüttengebläse in Muldenhütten



Mit diesen Leistungen beteiligt sich unser Verein heute am Brückenbau, schließt der Verein nahtlos an das in der Vergangenheit geschaffene Werk an und schafft gleichzeitig den Brückenschlag in die Zukunft.

Der Weg über die Brücke soll nicht ins Nebulöse führen, sondern zu erkenn- und realisierbaren Zielen. Summarisch kann man sagen, dass wir mit unserem Verein die nunmehr bereits wieder seit 10 Jahren bewährten Aktivitäten auf der Basis unserer Satzung fortsetzen werden. Dazu rechnen wir die Vortragstätigkeit und die Exkursionen ebenso wie die Herausgabe des Freiberger Landes und der Mitteilungen, unterschiedliche Forschungsarbeiten und die fachliche Anleitung der Ortschronisten. Diese Angebote genießen bei unseren Mitgliedern wie auch bei manchem weiteren Geschichtsinteressierten einen guten Ruf.

Auch die Tätigkeit der Fachgruppen soll kontinuierlich weitergeführt werden. Mit Sicherheit beschäftigen uns auch künftig immer wieder besondere Projekte, an denen einzelne Vereinsmitglieder beteiligt sein können oder ganze Arbeitsgruppen. Unsere Kraft müssen wir bündeln, um verschiedene wichtige Denkmale zu retten, wie Schloss Freudenstein und die Gerberhäuser. In die Zukunft weist ebenfalls die Erarbeitung der Grundlagen für die Antragstellung, um das Erzgebirge auf die UNESCO- Liste des Weltkulturerbes zu setzen, und die führende Mitwirkung an der Erstellung einer Studie zur Rettung des Hüttenstandortes Muldenhütten.

Die Brückenbauer müssen Menschen mit ganz speziellen Eigenschaften sein. Sie müssen von ihrer eigenen Aufgabe, der sie ihre Kraft widmen, überzeugt sein. Ohne Fachwissen reicht jedoch auch der beste Wille nicht aus. Sich solches anzueignen und dann einzusetzen, ist ein weiteres Charakteristikum. Wille ist auf jeden Fall beim mühevollen Durchschreiten der häufig sehr steinigen Ebenen und steilen Anstiege, die vor dem Ziel liegen, erforderlich, dazu eine gehörige Portion Ausdauer. Jeder sollte außerdem an sich selbst und seine Arbeit hohe Maßstäbe anlegen, seine Tätigkeit mit dem erforderlichen Ernst und der gebotenen Exaktheit betreiben.

Die Brückenbauer, das zeichnet sie aus, müssen angesichts der Herausforderung kollektiv tätig sein. Das vereinte Handeln ist auch Markenzeichen des Freiberger Altertumsvereins. In der grundlegenden Zielstellung stimmen alle Mitglieder überein. Jedes Mitglied ist aber gleichzeitig ein einzigartiges und unverwechselbares Individuum. Diese Individualität zu respektieren, gehört ebenfalls zu den grundsätzlichen Vereinsregeln. Andererseits muss sich jeder bis zu einem gewissen Grad unterordnen, um dem gemeinsamen Ziel dienen zu können. In diesem Spannungsfeld entfaltet der Verein seine Tätigkeit. Hier liegen seine Stärken, aber natürlich ebenso seine Grenzen.

Betrachtet man die personelle Entwicklung unseres Vereins, so verdeutlicht die aktuelle Mitgliederzahl von 123 Mitgliedern verglichen mit den 16 Gründern Anfang 1990, dass Ziele und Tätigkeit unseres Vereins eine schöne Resonanz gefunden haben. Erfreulich ist zudem die institutionelle Mitgliedschaft der Freiberger Brauhaus AG und des Sächsischen Staatsarchivs sowie die korporative Mitgliedschaft des Vereins Schützt Darmstadt und des Oberharzer Museums- und Geschichtsvereins. Von den nicht wenigen auswärtigen Mitgliedern, so aus Berlin, Hamburg und Weilheim, stammt der größte Teil aus Freiberg und fühlt sich mit der Bergstadt nach wie vor eng verbunden.

Enthusiasmus, Ausdauer, Zeit, Ideen, Sachkunde und Integrationsvermögen benötigt der Vorstand, um der Tätigkeit des Vereins Richtung und Inhalt zu geben. Allen gewesenen und gegenwärtigen Vorstandsmitgliedern gebührt für die geleistete Arbeit und ihr großes Engagement herzlichster Dank.
Brückenbauer brauchen auch entsprechendes Umfeld, um die Brücke fest zu fügen und einzubinden in das Umland, sie benötigen Kontakte und sind auf die Zusammenarbeit mit anderen Personen und Interessengruppen angewiesen. Auch der FAV kann nicht bestehen ohne Verzahnung mit den Menschen, insbesondere denen seines Wirkungsfeldes, und mit der Gesellschaft überhaupt.

Beispielsweise wäre ohne dem von den Stadträten gewährten finanziellen Zuschuss in Höhe von 50.000 Reichsmark die Realisierung des Projektes eines neuen Museumsgebäudes am Dom um 1900 sicher gescheitert. Es war allerdings auch ein hartes Stück Arbeit, um die Stadträte zu der zukunftsweisenden Entscheidung der Förderung des Vorhabens zu bewegen. Besonders Konrad Knebel erwarb sich dabei bleibende Verdienste.

Gute Beziehungen bestanden bereits seit dem 19. Jh. mit dem Germanischen Nationalmuseum Nürnberg. So manche fachliche Unterstützung kam seither aus Nürnberg und half, die Beschäftigung mit der Geschichte in Freiberg zu befruchten. Die staatliche Denkmalpflege und der Landesverein Sächsischer Heimatschutz e.V. waren dem Verein ebenfalls eine große Hilfe. Auf der anderen Seite profitierten auch auswärtige Institutionen vom Freiberger Verein. So beschaffte der Verein wohl 1911 die Ausstattungsgegenstände einer bergmännischen Betstube für das kurz zuvor gegründete Deutsche Museum in München. Eine Rückwirkung bestand damals interessanterweise in der Sammlung bergmännischen Möbels in Freiberg, nachdem man gesehen hatte, welchen Wert führende Museologen Deutschlands der erzgebirgischen Kultur beimaßen.

Ein freundliches und förderndes Terrain benötigen wir natürlich heute genauso. Ohne Unterstützung wäre die Verwirklichung manchen Projektes von vornherein zum Scheitern verurteilt. Wertvolle Hilfe erhalten wir seit Jahren von der Freiberger Brauhaus AG, die das umfangreiche und sehr ertragreiche Vorhaben der Braugeschichtsforschung finanziell nach besten Kräften über Jahre begleitet. Ohne Kooperation mit dem Landratsamt Freiberg und Unterstützung durch die Bürgermeister der Gemeinden des Kreises hätten wir die jährlichen Zusammenkünfte der Ortschronisten schwerlich zu einem Erfolg führen können. Auch das Projekt Landkreisgeschichte hängt entscheidend von der Bereitstellung der Gelder durch den Landkreis ab. Unser erstes regionalgeschichtliches Kolloquium im Jahr 1996 wurde maßgeblich durch die Stadtverwaltung Freiberg unterstützt.

Wir hoffen, dass durch Kooperation mit dem Freiberger Brauhaus, der Stadtverwaltung Freiberg und der Kurprinz Georg Keil GmbH Großschirma das nächste Kolloquium ebenfalls ein voller Erfolg wird. Kontakte unterschiedlichster Art, die befruchtend auf unsere Tätigkeit wirken, durch die wir aber auch dem Wirken anderer Impulse verleihen können, bestehen außerdem beispielsweise mit der Historischen Freiberger Berg- und Hüttenparade, dem Freundeskreis Alte Kulturen Freiberg, dem Freudenstein e. V., dem Sächsischen Geschichtsverein, dem Landesverein sächsischer Heimatschutz, dem Hohenzollerschen Geschichtsverein, mit weiteren Vereinen, Institutionen und Einzelpersonen. Wenn wir unseren Verein als Brücke zwischen den Zeiten begreifen, dann können wir ihn, berücksichtigt man die eben angeführten Exempel, auch als Brücke zwischen Orten und Menschen verstehen.

Auf ein Phänomen soll noch hingewiesen werden. So wie Brücken nach ihrem Bau Dokumentaristen anziehen, ist der Verein mit seiner Geschichte bereits selbst Gegenstand der Geschichtsschreibung geworden. Einen großen Beitrag über den Verein verfasste anlässlich des 50jährigen Jubiläums im Jahr 1910 der Vereinsvorsitzende Konrad Knebel. Zur 75jährigen Jubelfeier erarbeitete der Vorsitzende Walther Herrmann 1935 eine instruktive Darstellung der Vereinsgeschichte. Als nach fünfzigjähriger Unterbrechung 1992 das erste neue Heft der Mitteilungen erschien, war dort auch ein Überblicksbeitrag zur Geschichte des Vereins enthalten, um die Traditionslinien zu verdeutlichen, auf die wir uns berufen. Intensiv beschäftigte sich um 1965 Gert Richter in seiner Diplomarbeit sowie der Dissertation mit der Vereinsgeschichte bis 1945.

Nach seiner Auffassung gehörte der Freiberger Geschichtsverein zu den besten in ganz Sachsen. Er hob besonders auch die "Mitteilungen" mit ihrer hohen Qualität hervor. Reflexionen über die Vereinsgeschichte erfolgten in einem Jubiläumsartikel über 125 Jahre Stadt- und Bergbaumuseum 1986 in der Schriftenreihe des Museums und in der Darstellung der Geschichte der Vereinsbibliothek im Handbuch der historischen Bibliotheken im Jahr 1997. Auch im Internet kann man entsprechende Informationen finden.

Was können wir, zusätzlich zu dem in den letzten zehn Jahren vollbrachten Werk und zu den bereits genannten laufenden Projekten, anlässlich des Jubiläums unseres Vereins auf den Tisch legen ? Da wäre als erstes das abwechslungsreiche Veranstaltungsprogramm zu nennen, wie es im Freiberger Land Nr. 21 veröffentlicht ist. Ein weiteres und sehr interessantes Geschenk liegt mit der CD- ROM 'Freiberg in historischen Ansichtskarten', realisiert gemeinsam mit der Freiberger Firma 'imd InterMedia Datendienste', bereits auf dem Tisch.

 

 

CD- ROM 'Freiberg in historischen Ansichtskarten'

                    CD- ROM 'Freiberg in historischen Ansichtskarten'



Trotz unseres sehr an ausschließliche Beschäftigung mit der Vergangenheit erinnernden, etwas antiquiert anmutenden Vereinsnamens nutzen wir also für die Verwirklichung unseres Ziele, für die Realisierung unterschiedlichster Aufgaben natürlich moderne Technik. Vielleicht bereits ab dem 14. März wird der Verein außerdem über eine eigene Internet- Adresse verfügen. Auf dieser Seite werden Grundsatzinformationen über den Verein sowie aktuelle Nachrichten zu finden sein. Am heutigen Tag wurden wir nun damit überrascht, dass der Reprint des ersten Heftes der "Mitteilungen" auf die Jahr 1862/ 63 vorliegt.

Als weitere Vorhaben ist die Edition von Biographien Freiberger Persönlichkeiten in zwei Heften unserer Vereinsmitteilungen vorgesehen. Ein anderes Projekt geht gemeinsam mit der Universitätsbibliothek seiner Verwirklichung entgegen, die Herausgabe einer Bibliographie der Freiberg- Literatur zwischen 1989 und 1999. Schließlich steht im Terminkalender noch das zweite regionalgeschichtliche Kolloquium im November, das anlässlich unseres Jubiläums sowie der 150. Gründungsfeier der Freiberger Brauhaus AG und des Jubiläums 100 Jahre Bierdeckelherstellung stattfinden wird.

Bei der Verwirklichung dieser Vorhaben und der Vereinsziele wüsche ich uns viel Freude und bestes Gelingen.


Dr. Ulrich Thiel, Freiberg am 5. Februar 2000

Wir sind Mitglied: