Freiberger Altertusverein eV

Das Freiberger Hüttenwesen


Mit dem Auffinden Freiberger Silbererze im Jahre 1168 begann auch die Entwicklung des Hüttenwesens.
Die Schmelzhütten entstanden zumeist in der Nähe der Gruben und an den Flußläufen, um die Wasserkraft zum Antrieb der Gebläse und Pochwerke auszunutzen. 1318 gibt es die erste urkundliche Erwähnung einer Schmelzhütte an der Freiberger Mulde, wo ein gewisser Heinemann Emmrich seinem Schwager Hannus eine bestehende Schmelzhütte überträgt. Eine damals schon bestehende Schmelzhütte bedeutet, dass dieser Hüttenstandort nun über 700 Jahre existiert, wo ununterbrochen bis heute Verhüttung stattfindet.
Am Ende des 14. Jahrhunderts wurden an der Freiberger Mulde und an der Münzbach eine Vielzahl von Hütten betrieben, die die Freiberger Silbererze verarbeiteten. Durch Rösten, Schmelzen, Saigern, Raffinieren,Treiben und Feinbrennen wurde das für die sächsischen Herrscher so begehrte Silber gewonnen und zu Münzen geprägt. Diese hatten schon frühzeitig erkannt, dass die Schmelzhütten gute Gewinne abwarfen. Auch wenn die Gruben unterschiedliche Ausbeute hatten, kam doch eine relativ konstante Menge Vorlaufmaterial in die  Schmelzhütten.







Hütte Muldenhütten um 1910
Im Vordergrund die ehemalige Schachtofenhütte (Quergebäude)

    

Gebläsehaus (rechts) und die Reste der Fourneyron- Turbine (links) 2015


Um 1555 ging als erste Schmelzhütte die obere Muldener Hütte in kurfürslichen Besitz über, wenige Jahre später auch die untere Muldener Hütte und schließlich 1663 noch die 1612 gegründete Hütte Halsbrücke. Die kurfürstlichen Schmelzhütten wurden in den folgenden Jahren stetig ausgebaut, so das die noch existierenden kleineren privaten Schmelzhütten ihren Betrieb einstellen mußten.
Die Gründung der Bergakademie Freiberg im Jahre 1765 war von besonderer Bedeutung für die Entwickliung im sächsischen Hüttenwesen. Da die Wissenschaftler auch in den Schmelzhütten tätig waren, erfolgte eine ständige Weiterentwicklung der Betriebe. Anfangs bezogen sich die Neuerungen nur auf die Silberproduktion, im 19. Jahrhundert auch zunehmend auf die Produktion von Blei und Zink (1857), Kupfer (1859), Arsen (1862) und Schwefelsäure (1857). Im Jahre 1855 wurde das sogenannte Pattisonverfahren zur Entsilberung von Blei, 1865 der Pilzschachtofen und 1876 das durch Clemens Winkler entwickelte Schwefelsäurekontaktverfahren  eingeführt. Durch den Zusammenschluß der oberen und unteren Muldener Hütten im Jahre 1825 gab es nur noch die staatlichen Hütten in Muldenhütten und Halsbrücke.
1887 wurde die sächsische Münze von Dresden nach Muldenhütten verlegt, wo bis 1953 Münzen und Medaillen mit dem Münzzeichen "E" geprägt wurden. Mit der Stilllegung des Freiberger Bergbaus 1969 wurde die Hütte Muldenhütten zur reinen Sekundärhütte ausgebaut, die vorwiegend bis heute Akkuschtott verarbeitet.
 

Die Gebläse im Hüttenwesen


Wichtig für die Hüttenverfahren war die Versorgung der Schmelzöfen mit Luft (Sauerstoff). Die Maschinen zur Erzeugung und Fortleitung zusammengepresster Luft (Wind) nennt man Gebläse. Mit dem Wind soll zum einen eine Steigerung der Verbrennungsintensität - hohe Temperatur beim Schmelzen - und zum anderen eine oxydierende Wirkung, wie beim Abtreiben des Bleis vom Silber, erreicht werden. Bei den ersten metallurgischen Öfen reichte die Umgebungsluft für die Verbrennung und damit für den Schmelzprozess aus. Um aber die Leistung zu erhöhen, setzte man recht bald Gebläse ein.
Das älteste Gebläse bestand aus einer zusammengefügten Tierhaut. Später kam Leder zum Einsatz und man benutzte Konstruktionen aus Holz, so wie bei Agricola beschrieben. Man bezeichnete diese Gebläse auch als Balgengebläse.

 

    

Zylindergebläse nach einer Zeichnung von E. Heuchler (1857)

 

  

Galeriebereich und

    

Zylinder vor der Restaurierung 1986


Im 18. Jahrhundert enstanden die sogenannten Kastengebläse und später durch Einsatz von Eisen die Zylindergebläse. Bei diesen Gebläsen kann entsprechend der Größe und der Anzahl der Zylinder der Windbedarf für mehrere Öfen erzeugt werden. 
Durch die erhöhten Erzlieferungen und den Einsatz von Kohle ab 1823 in den Freiberger Hütten wurde der Einsatz neuer Gebläse notwendig. Bis zum Beginn der 40er Jahre des 19. Jahrhunderts konnte die vollständige Erneuerung der Winderzeugung abgeschlossen werden. Die ledernen und hölzernen Balgengebläse mussten den modernen Zylinder- und Schraubengebläsen weichen.

Das Zylindergebläse


Die Freiberger Hütten verarbeiteten insbesondere die einheimischen Bergbauprodukte.
Nach vorübergehenden Schwankungen bis 1780 erfolgte danach ein stetiger Aufschwung 

 

 

    

 Kurbelwelle und im Hintergrund die Zylinder

 

    

 Galeriebereich mit Auststellungstafeln zur Hüttengeschichte (2015)

 

der Erzproduktion. Diese erhöhten Erzlieferungen erforderten in den Schmelzhütten mehr und bessere Schmelzöfen und vor allem mehr Brennstoff. Doch insbesondere der Brennstoffversorgung gestaltete sich immer schwieriger. Bereits 1753 erhob das Oberhüttenamt Klage, "daß der Holz- und Kohlemangel von Zeit zu Zeit mehr und mehr einreiße". Jahrelange Versuche und Teilerfolge durch die Wissenschaftler Gellert und Lampadius an der Bergakademie Freiberg führten zum Einsatz der Steinkohle ab 1823 im Freiberger Hüttenwesen. Wichtig für die vollständige Einführung von Steinkohle und Koks in den Hüttenprozessen war der Einsatz neuer Gebläsemaschinen, denn die ledernen und hölzernen Balgengebläse reichten für die Winderzeugung nicht mehr aus.
Im September 1826 erließ der Maschinenbaudirektor Christian Friedrich Brendel, im Auftrag des Oberberghauptmann Freiherr von Herder, eine sehr ausführliche Aufforderung zur Lieferung eines eisernen Zylindergebläses für die Königlich Sächsischen Hüttenwerke. Diese Aufforderung richtete Brendel an das Hochgräflich von Einsiedelsche Eisenwerk von Lauchhammer, an die Firma Englerth, Reuleaux & Dobbs zu Eschweiler- Pumpe bei Aachen und an die Firma Harkort & Co. in der Grafschaft Mark. 
 

Alle drei Werke reichten schon im Oktober ausführliche Angebote ein. Brendel erstattete darüber am 27. November 1826 der Oberberghauptmannschaft in Freiberg einen ausführlichen Bericht, wobei er sich für die Vergabe des Auftrages an das Eisenwerk in Lauchhammer aussprach. Die Englerth- Maschine war "wegen ihrer Kostbarkeit gar nicht in Betracht zu ziehen" (sie wurde mit eine Preis von 3505 Talern als zu teuer angesehen) und beim Gebläse der Firma Harkort & Co. befürchtete Brendel, dass dieses von vornherein bis zur maximalen Leistungsfähigkeit beansprucht wird und keine Reserven mehr böte. Das Eisenwerk in Lauchhammer erhielt den Auftrag für einen Gesamtpreis 2000 Talern (ursprünglich veranschlagt waren 2160 Taler). Der Bau des Gebläses erfolgte im Jahr 1827 in einer Bauzeit von 9 Monaten. Das antreibende Wasserrad wurde in Freiberg hergestellt.
Das Zylindergebläse ist ein Balanciergebläse mit zwei doppeklwirkenden Zylindern. Mit Ausnahme der Kolbenstangen und den Gliedern des Watt'schen Parallelogramms, die aus Schmiedeisen bestehen, wurden alle Teile des Gebläses aus Gusseisen hergestellt. Für die Lagerbuchsen wurde Messing verwendet.

    

Hochwasser 2002

 Prinzipskizze

 Legende:


 WW                   Welle für Wasserrad bzw. Turbine
 KW                    Kurbelwelle
 KS                      Kurbelstangen
 B                         Balanciers
 K                        Kolbenstangen
 Z                         Zylinder
 EV                      Einlassventile
 AV                     Ausströmventile
 WL                    Windleitung zu den Schmelzöfen

Technische Daten:

 

Kolbendurchmesser: 766 mm
Hub: 1220 mm
Hubvolumen: 2,26 m³
Zahl der Zylinder: zwei doppelwirkende (ab 1844 drei)
Spiele pro Minute: 10
Windleistung: 16- 18 m³/min.
Kraftbedarf: 11 PS
Wirkungsgrad: 0,17- 0,22
Länge der Kurbelstangen: 2,89 m
Länge des Balanciers: 3,80 m
Höhe der Balanciersäulen: 2,83 m
Durchmesser der Zylinder: 0,98 m
Höhe der Zylinder: 1,51 m
Höhe des Wasserrades: 3,12m
Aufschlagwassermenge: 9,05 m³/min.

 




Am 29. Januar 1828 wurde das Zylindergebläse in der Muldener Schmelzhütte in Betrieb genommen. Nach einem Bericht aus dem Jahre 1841 versorgte das Gebläse bei 7 3/4 Kolbenspielen 4 Rohschlackeöfen, 2 Silberbrennherde und 2 Schmiedeherde mit ausreichendem Wind. Mit dem Betrieb weitere Schmelzöfen stieg auch der Windbedarf in der Hütte an, sodass eine Leistungssteigerung des Gebläses notwendig wurde. Im Jahre 1848 wurde das Zylindergebläse im Zusammenhang mit der Umgestaltung der Wasserkraftanlage der Hütte umgebaut. An Stelle des Wasserrades bauten man, unter Erhöhung des Gefälles und Verminderung der Aufschlagswassermenge, eine Fourneyron-Turbine ein, eine von innen beaufschlagte Radialturbine mit stehender Welle.
Zu den beiden vorhandenen Zylindern wurde ein dritter aufgestellt und das Vorgelege dafür entsprechend verändert. Weitere größere Veränderungen fanden nicht statt, sodass das Zylindergebläse bis heute so erhalten ist.
Das jetzige Gebläsehaus ist nicht mit dem Bau des Zylindergebläses 1827/28 entstanden. Ursprünglich wurde in der Schachtofenhütte ein Gebläseraum errichtet, in dem es aufgestellt wurde. Erst Ende der 1920er Jahre wurde diese alte Schachtofenhütte abgerissen und auf den Fundamenten des Maschinenraumes das heutige Gebäude errichtet. Das Zylindergebläse war bis 1954 in Betrieb, versorgte in den letzten Jahren, nach Abriß der Schachtofenhütte, nur noch die Schmiede der Hütte Muldenhütten mit Gebläseluft für die Schmiedefeuer.
Zum Berg- und Hüttenmännischen Tag 1962 wurde das Zylindergebläse letzmalig in Betrieb vorgeführt.



Die Restaurierung des Zylindergebläses


Als Ende 1986 die Mitglieder der Fachgruppe Hüttengeschichte mit den Arbeiten zur Erhaltung des Zylindergebläses begannen, war der Verfall insbesonder des Gebläsehauses und der Radstube sehr fortgeschritten. Das Gebläse war in einem derart "angerosteten" Zustand, dass sich sämtliche Teile der Maschine nicht mehr bewegten. In den Folgejahren wurden kontinuierlich Erhaltungsmaßnahmen durchgeführt und versucht, mit Unterstützung von Prof. Dr. O. Wagenbreth, eine Sanierung durch einen Handwerksbetrieb zu erreichen.
Dies scheiterte zur damaligen Zeit nicht an fehlenden finanziellen Mitteln, die hätte das ehemalige Bergbau- und Hüttenkombinat "Albert Funk" bereitgestellt, sondern an fehlenden Kapazitäten des Handwerksbetriebes. So konnte erst nach der politischen Wende in der DDR und auf Initiative der Fachgruppe Hüttengeschichte, im Rahmen einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme (ABM) der SAXONIA AG von 1991- 1993, die zielgerichtete Restaurierung dieses technischen Denkmales durchgeführt werden.

Am 16. Juni 1993 konnte das Zylindergebläse Besuchern wieder in Betrieb vorgeführt werden jedoch angetrieben von einem Elektromotor. Seit dieser Zeit wird das Zylindergebläse durch die Fachgruppe Hüttengeschichte mit Unterstützung der Saxonia Standort- und Entwicklungsgesellschaft mbH betreut und zu verschiedenen Anlässen im Jahr in Betrieb vorgeführt.
Die bisherigen Arbeiten erlitten jedoch im August 2002 durch das Hochwasser der Freiberger Mulde einen herben Rückschlag. Am 13. August gegen 9.00 Uhr wurde der Höchststand des Hochwassers gemessen, 1,52 Meter höher als die Hochwassermarke vom 30./31. Juli 1887. Das Hochwasser richtete erheblichen Schaden an, denn im Gebläsehaus stand es bis unter der Galerie. Damit wurde die Gebläsemaschine vollständig überflutet. Durch den Einsatz vieler Helfer zum Arbeitseinsatz am 24. August sowie mit Hilfe von Firmen konnte das Zylindergebläse wieder so hergerichtet werden, dass es Anfang September zum "Tag des offenen Denkmals 2002" wieder betreibsbereit vorgeführt werden konnte.

Einzigartiges Sachzeugnis


Das Muldenhüttener dreizylindrige Balanciergebläse war das erste Zylindergebläse im sächsischen Silberhüttenwesen und steht als einziges der drei ehemaligen Zylindergebläse noch an seinem Originalstandort. Das "Lauchhammer- Gebläse", von 1837 bis 1925 in der Hütte Halsbrücke in Betrieb, steht heute vor dem Herstellerwerk in Lauchhammer. Das sogenannte "Schwarzenberg- Gebläse", von 1831 bis 1858 in der Antonshütte bei Schwarzenberg, danach bis 1925 ebenfalls in der Hütte Halsbrücke in Betrieb, steht seit 1936 auf der Schachthalde der "Alten Elisabeth" in Freiberg.
Das Zylindergebläse mit Balancier in  Muldenhütten ist ein einzigartiges Sachzeugnis des sächsischen Hüttenwesens sowie des Maschinenbaus und gilt als ein technisches Denkmal von europäischem Rang.


 

 

 

 

Kontaktperson für Gruppenführungen:

Leiter: Roland Kowar

Tel.: 03731/32981

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